2024 verzeichnete der Kunstpalast Düsseldorf eine halbe Millionen Besuchende – diesen Erfolg verdankt das Museum auch den innovativen und publikumsorientierten Vermittlungsformaten. Seit Mai dieses Jahres neu im Repertoire sind Museumsführungen mit einem sogenannten Grumpy Guide. Alina Fuchte, stellvertretende Leitung des Bereichs Kulturelle Bildung, erklärt im Interview die Entstehungsgeschichte dieses besonderen Museumsführers und beantwortet die Frage nach der Zukunft von musealen Vermittlungskonzepten.
Was war die ursprüngliche Idee oder Motivation hinter dem Format des Grumpy Guide? Wie entstand die Figur Joseph Langelinck?
Alina Fuchte: Die Idee ist in einem unserer regelmäßigen Jour-Fixe entstanden, in Kooperation mit dem Marketing, der Kulturellen Bildung und dem Social-Media Team. Unser Direktor Felix Krämer hatte tatsächlich den ersten Impuls. Wir sprechen ständig über Klischees in der Kunstwelt – Kunsthistoriker*innen, die alles besser wissen? Damit wollten wir spielen. Ein Guide, der maximal unfreundlich und laut ist und durch die Sammlung hetzt.
Die Guides, die wir aktuell haben, sind aber alle sehr nett und machen ihren Job sehr gut, deswegen kamen sie als Grumpy Guide nicht direkt infrage. Wir brauchten also jemand anderes, der vielleicht Schauspieler oder Ähnliches ist. Dann sind wir auf Carl Brandi gekommen, mit dem wir im Rahmen eines E-Sports Events schon einmal zusammengearbeitet haben. Ich kenne ihn lustigerweise noch aus der Schulzeit – ich dachte, er wird Spaß daran haben, diese Rolle auszuarbeiten. Wir haben uns dann getroffen, sind gemeinsam durch die Sammlung gegangen und haben uns überlegt, was alles möglich wäre. Den Charakter Joseph Langelinck haben wir aus Klischees entwickelt. Eine Art Uniform, die einen Wiedererkennungswert hat: zurückgebundene Haare, Brille, eigene Biografie.
Welche Vermittlungsziele verfolgen Sie mit dem Grumpy Guide? Steht eher die Unterhaltung im Vordergrund oder eine kritische Auseinandersetzung mit Kunst und Museumsbetrieb?
Alina Fuchte: Das oberste Ziel ist nicht möglichst viel Inhalt zu vermitteln, sondern Zugänge zu schaffen. Die Besuchenden sind nicht unbedingt die klassischen Museumsgänger*innen, sondern dachten sich „das klingt lustig, da gehe ich mal hin“. Nebenbei schaut man sich dann die Exponate an und lernt das Haus besser kennen.
Museum kann auch Spaß machen! Der Willkommenscharakter steht im Vordergrund. Das aber auch Wissen vermittelt wird, merken wir bei den Wissensabfragen des Publikums. Die Besucher*innen haben die Informationen behalten – vielleicht auch weil sie Angst hatten, vor dem Grumpy Guide aufzufliegen.
Gab es während der Entwicklung des Formats Widerstände oder Kritik von Seiten der Institution oder des Publikums – und wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?
Alina Fuchte: Widerstand würde ich nicht sagen. Alle waren sehr interessiert an dem Format. Manche haben zwar gesagt, „für mich wäre das nichts“. Ich glaube auch, dass es nichts für jede*n was ist – aber für viele. Keiner fühlt sich angegriffen, der Guide greift aber auch natürlich niemanden persönlich oder namentlich an. Wie gesagt, auch unser Direktor war ganz vorne mit dabei. Er hat ja zum Beispiel den Sammlungsrundgang „Alles Kunst?! Von Aldi bis Rubens“ mitkonzipiert und hat auf jeden Fall auch kein Problem damit, dass mal ein Witz auf seine Kosten gemacht wird. Dass der Grumpy Guide Kommentare ablässt, ist für uns komplett in Ordnung. Darum geht es ja auch.
Welche Rolle spielt Humor in der Vermittlungsarbeit – ist er Mittel zum Zweck oder ein bewusstes Statement gegen elitäre Kunstvermittlung?
Alina Fuchte: Beides tatsächlich. Es gibt Museums-Klischees und die finden auch statt, aber mit den Klischees zu brechen war uns wichtig. Humor ist ohnehin ein gutes Mittel, um Zugänge zu schaffen und Leichtigkeit reinzubringen.
Gibt es ein dramaturgisches Konzept oder eher spontane Setzungen?
Alina Fuchte: Es ist doch recht spontan, natürlich sind wir die Sammlung gemeinsam durchgegangen und haben die Stationen besprochen. Aber trotzdem war der erste Rundgang mit Publikum noch mal was anderes, man kann nie richtig einschätzen, wie sowas dann klappt, das kann man nicht proben. Dadurch wird es auch jedes Mal ein bisschen anders werden – Carl Brandi ist da in seiner Rolle doch sehr spontan und er hat da auch freie Bahn. Es ist viel Improvisation dabei, aber das ist ja auch wichtig.
Ist der Grumpy Guide ein typisches Vermittlungsformat zum Erschließen neuer Zielgruppen?
Alina Fuchte: Das müsste man eigentlich evaluieren: Waren Sie schon einmal im Museum? Waren Sie schon einmal im Kunstpalast? Wir haben aber andere Vermittlungsformate, die dezidiert auf das Erschließen neuer Zielgruppen aus sind: Zum Beispiel unser Bürger*innenbeirat Palastpilot*innen oder Dein Kunstpalast.
Wie reagieren Besucher*innen auf die provokante, sarkastische Art des Guides?
Alina Fuchte: Der Kitzel liegt irgendwo zwischen Fremdscham und der Angst, vom Grumpy Guide direkt angesprochen zu werden. Aber vielleicht liegt da auch der Reiz. Es wurde aber auch gelacht und ich hatte den Eindruck, viele wollten dieses ungewöhnliche Format einfach mal ausprobieren.
Sieht so die Zukunft der musealen Vermittlungsarbeit aus?
Alina Fuchte: Ich glaube schon. Nur so schafft man Zugänge. Natürlich ist es auch wichtig, dass man andere, eher klassischere Formate hat. Formate, die Aufmerksamkeit erregen, sind immer wieder gut, sie schärfen unser Profil und öffnen das Museum in verschiedene Richtungen.
Alina Fuchte studierte Kunstgeschichte, Kultur- und Sozialanthropologie (B.A.) sowie Kulturanalyse und Kulturvermittlung (M.A.) und ist stellvertretende Leiterin in der Abteilung Kulturelle Bildung am Kunstpalast/NRW-Forum in Düsseldorf.
Credit Foto: Anne Orthen
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