Online-Petitionen sind derzeit ein beliebtes Mittel digitaler Meinungsäußerung. Sie versprechen demokratische Teilhabe auf Knopfdruck und können in nur kurzer Zeit ein breites Publikum erreichen. Doch was bleibt von dieser schnellen Aufmerksamkeit, wenn der erste Hype vorüber ist? Wie viel Einfluss haben Online-Petitionen tatsächlich, wenn es um konkrete politische Entscheidungen und Prozesse geht – und wo stoßen sie an ihre Grenzen?
Online-Petitionen gibt es heute wie Sand am Meer. Viele bleiben folgenlos, andere entfalten große Wirkung. Eines der bekannteste Beispiele für eine erfolgreiche Online-Petition ist wohl die „Justice for George Floyd“-Petition, die im Mai 2020 nach dem Tod von George Floyd auf Change.org ins Leben gerufen wurde, um die strafrechtliche Verantwortung der Polizisten, die direkt an seinem Tod beteiligt waren, einzufordern. Mit über 19,6 Millionen gesammelten Unterschriften gilt sie als die erfolgreichste Online-Petition weltweit, sowohl aufgrund der enormen Zahl an Unterstützer:innen als auch, weil sie maßgeblich zur globalen Debatte über Polizeigewalt und Rassismus beitrug.
Die Wirkung von Online-Petitionen wie dieser zeigen, welche Kraft im digitalen Protest stecken kann – zumindest dann, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt den Nerv der Gesellschaft treffen. Obwohl solche Erfolge die Ausnahme bleiben, wächst das Interesse an dieser Form der Beteiligung spürbar. Besonders seit der letzten Bundestagswahl ist angesichts intensiver Debatten über die Stabilität der Demokratie in Deutschland ein wachsendes Bedürfnis nach politischer Mitbestimmung zu beobachten. Online-Petitionen bieten dafür eine niederschwellige Möglichkeit.
Laut Artikel 17 des Grundgesetzes hat jeder Mensch das Recht, sich allein oder gemeinsam mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an zuständige Stellen zu wenden – etwa an relevante Behörden, Ministerien oder Parlamente. Dieses Recht gilt gleichermaßen für analoge wie für digitale Petitionen. Petitionsadressat:innen sind verpflichtet, diese entgegenzunehmen und zu beantworten, wobei jedoch keine Pflicht zur Umsetzung besteht. Der Erfolg einer Petition hängt daher maßgeblich davon ab, die richtigen Adressat:innen zu finden deren Aufmerksamkeit zu gewinnen. So war die Online-Petition „Justice for George Floyd“ an den Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, sowie den zuständigen Staatsanwalt Mike Freeman gerichtet, der nur wenige Tage nach dem Vorfall Anklage gegen den beteiligten Polizisten erhob.
Bei Petitionen an den Bundestag ist zudem zu beachten, dass das Anliegen dem Allgemeinwohl dienen und ein Quorum von 30.000 Stimmen erreichen muss, um einen gewissen Konsens zu gewährleisten. Plattformen wie Change.org hingegen setzen stärker auf persönliche Betroffenheit, wie der Jahresbericht der Friedrich-Ebert-Stiftung für den Zeitraum 2016 bis 2020 zeigt. Demnach haben rund zwei Drittel der befragten Nutzer:innen von Change.org ihre Online-Petition aus einem persönlichen Impuls heraus gestartet, oft ohne strategische Überlegungen zur Mobilisierung von Unterstützenden, was die Erfüllung der formalen Anforderungen für Bundestagspetitionen erschwert. Zudem gelten für Online-Petitionen oft strengere Verifizierungsregeln hinsichtlich der digitalen Unterschriften, um Identitäten zu bestätigen und Mehrfachabstimmungen zu verhindern.
Online-Petitionen sind ein vergleichsweise junges Phänomen, das mit dem Aufkommen des Internets als neuem Raum für demokratische Teilhabe Einzug gehalten und rasch an Bedeutung gewonnen hat. Ein Meilenstein war die Gründung von Change.org im Jahr 2007. Die Plattform ermöglichte erstmals ein niederschwelliges digitales Engagement und verzeichnet heute laut eigenen Angaben über 700 Millionen Nutzer:innen weltweit, darunter 8 Millionen in Deutschland. Plattformen wie diese haben das Engagement der Menschen für soziale und politische Themen enorm gesteigert und Online-Petitionen zu einem echten Massenphänomen gemacht. Die genaue Zahl aktiver Online-Petitionsplattformen lässt sich schwer beziffern, da ständig neue Anbieter auftauchen und andere wieder verschwinden. Schätzungen gehen jedoch von etwa 50 bis 100 aktiven Plattformen aus. Zu den etablierten gehören Change.org, Avaaz, OpenPetition, WeAct und Campact.
Unabhängig von der Plattform folgt eine Online-Petition in der Regel einem klaren Muster: Ein Anliegen wird mit einer Forderung und einem prägnanten Titel formuliert, oft unterstützt durch persönliche Geschichten und emotionale Appelle. Thematisch decken Online-Petitionen zwar ein breites Spektrum ab, ihr Fokus liegt jedoch überwiegend auf progressiven Anliegen. Dies liegt zum einen daran, dass Themen, die auf eine moderne, inklusive und gerechtere Gesellschaft abzielen, stärker mobilisieren, und zum anderen daran, dass viele der Plattformen ihren Ursprung in zivilgesellschaftlichen Initiativen haben.
Eine gut durchdachte Strategie ist entscheidend für den Erfolg einer Online-Petition, da virale Effekte meist nur dann entstehen, wenn die Petition frühzeitig und gezielt über soziale Netzwerke verbreitet wird. Mitarbeiter:innen von Plattformen wie WeAct und Change.org bieten hierfür Kampagnen-Tipps und Vorlagen. Allerdings behalten sie sich vor, selbst zu entscheiden, wie stark und nach welchen Kriterien sie eine Online-Petition fördern. OpenPetition schreibt dazu auf ihrer Website: „Wenn wir merken, dass Sie sich stark engagieren, dann engagieren wir uns auch für Sie.“ Der Erfolg einer Online-Petition hängt demnach stark von der aktiven Beteiligung ihrer Initiator:innen ab. Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellte fest, dass über 20 % der Nutzer:innen von Change.org nach dem Start ihrer Online-Petition keine weiteren Schritte zur Verbreitung unternahmen. Wer jedoch über einen längeren Zeitraum sichtbar bleiben möchte, muss dauerhaft aktiv sein und die Online-Petition auch im analogen Raum weitertragen. Plattformen wie innn.it betonen, dass Online-Petitionen vor allem dann an Sichtbarkeit gewinnen, wenn sie durch öffentlichkeitswirksame Aktionen begleitet werden. Dazu zählen zum Beispiel Demonstrationen, die Unterstützung durch bekannte Persönlichkeiten oder die Verbreitung über soziale Medien mithilfe von gut durchdachten Hashtags. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und eine klare Strategie verfolgt wird, lässt sich in vielen Fällen eine große Zahl digitaler Unterschriften erreichen. Diese Zahl gilt als erster messbarer Erfolgsfaktor, denn je mehr Menschen sich hinter einem Anliegen versammeln, desto größer wird der Druck auf die Verantwortlichen. Auch wenn es keine klar definierte Grenze gibt, ab wann eine Online-Petition als erfolgreich gilt, haben sich bestimmte Orientierungswerte etabliert. Eine Online-Petition mit rund 50.000 Unterschriften wird meist als beachtlich eingestuft. Ab einer Größenordnung von 500.000 bis hin zu einer Million Unterstützenden wird sie in der Regel als besonders wirkungsvoll wahrgenommen, vor allem dann, wenn sie mediale Aufmerksamkeit erzeugt und politische Reaktionen hervorruft. Denn ohne öffentliche Debatte bleibt selbst eine Petition mit Millionen von Unterstützenden häufig ohne Wirkung.
Als besonders wirksames Beispiel gilt die Online-Petition „Wehrhafte Demokratie: Höcke stoppen!“, die im November 2023 auf WeAct gestartet wurde. Ziel der Petition war es, ein Verfahren zur Prüfung der Grundrechtsverwirkung gegen den rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke einzuleiten. Sie sammelte mehr als 1,7 Millionen Unterschriften und erlangte große mediale Aufmerksamkeit. So wurde die Übergabe der Petition an den Bundestag von den führenden Medien begleitet. Dabei betonte das ARD-Morgenmagazin, dass bereits die Diskussion über eine mögliche Grundrechtsverwirkung als politischer Erfolg und als ein wichtiges Signal für eine wehrhafte Demokratie gewertet werden könne. Auf ähnliche Weise erlangte auch die von der Hartz-IV-Empfängerin Sandra S. initiierte Online-Petition auf der Plattform Change.org große mediale Aufmerksamkeit. In dieser forderte sie den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn dazu auf, für einen Monat von Hartz IV zu leben. Der provokante Vorschlag fand bei vielen Menschen schnell Anklang und nur 24 Stunden nach dem Start ihrer Petition berichtete die Tagesschau bereits darüber. In kürzester Zeit wurde hier eine breite öffentliche Diskussion über die Lebensrealität von Hartz-IV-Empfängern losgetreten, was letztlich sogar zu einem politischen Dialog mit dem Ministerium führte.
Diese Beispiele zeigen, dass der Erfolg einer Online-Petition nicht nur anhand der Erreichung ihrer Ziele gemessen werden kann. Stattdessen sprechen viele auch dann von einem Erfolg, wenn eine Online-Petition öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, Debatten anstößt oder das Bewusstsein für ein Thema schärft. Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellt fest, dass viele der Befragten ihre Petition als erfolgreich betrachteten, wenn sie Menschen zum Nachdenken anregte. Gleichzeitig gaben jedoch nur rund 25 Prozent an, dass ihre Forderungen tatsächlich umgesetzt wurden. Das zeigt, wie schwierig es ist, den Erfolg einer Online-Petition objektiv zu messen. Letztlich entscheiden die Initiator:innen selbst, wann sie ihre Online-Petition als erfolgreich betrachten. Auf Change.org können sie dementsprechend auch selbst festlegen, ab wann und ob sie ihre Online-Petition als abgeschlossen erklären, ohne dass eine zusätzliche Verifizierung durch die Plattformanbieter:innen erforderlich ist.
Ein Hindernis für den Erfolg von Online-Petitionen ist mitunter die offene Struktur der Plattformen, da auf den meisten von ihnen keine festen Laufzeiten gelten - im Gegensatz zum Beispiel zum Bundestag oder anderen institutionellen Verfahren, in denen Petitionen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens geprüft und bearbeitet werden müssen. Viele Online-Petitionen ziehen sich daher über Monate oder sogar Jahre hinweg, wodurch ihre jeweilige Dringlichkeit verloren geht und sie häufig in Vergessenheit geraten.
Trotz der Tatsache, dass die meisten Online-Petitionen ihre Ziele nicht erreichen, erfreuen sie sich ungebrochener Beliebtheit, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. Ein wesentlicher Grund sind die niedrigen Zugangshürden, die es den Menschen ermöglichen, schnell und unkompliziert ihre Unterstützung zu zeigen. Was früher mit erheblichem Aufwand verbunden war, wie etwa Infostände oder Hausbesuche, lässt sich heute mit nur einem Klick auf einer digitalen Plattform erledigen. Kritiker:innen sprechen in diesem Zusammenhang von passiver Online-Unterstützung und „Clicktivism“ – dem Trend, bei dem Menschen bequem von zu Hause aus ihre Haltung zeigen, ohne sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Für viele bleibt es beim ersten Klick und der einmaligen Unterschrift, während der eigentliche persönliche Einsatz, wie etwa die Teilnahme an Demonstrationen, oft ausbleibt. Dieser geringe Aufwand spiegelt sich in der niedrigen Erfolgsquote vieler Petitionen wider. Denn wie bei allem gilt: Je größer der Einsatz, desto größer der Erfolg. Viele Menschen scheinen weniger an tatsächlicher Veränderung interessiert zu sein, sondern möchten ihr Gewissen mit minimalem Aufwand entlasten oder symbolisch Druck ausüben. Die anhaltende Beliebtheit von Online-Petitionen lässt sich auch durch den häufigen Einsatz emotionaler Sprache erklären. Dramatische Formulierungen und Zuspitzungen werden oft und gerne genutzt, um gezielt Aufmerksamkeit zu erregen und Menschen zu mobilisieren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Online-Petition gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform speziell gegen Artikel 13 (inzwischen Artikel 17), die mit Slogans wie „Rettet das Internet!“ Millionen mobilisierte. Diese emotionale Formulierung sprach direkt die Ängste und Sorgen der Menschen an, dass ihre Freiheit und die Nutzung des Internets eingeschränkt werden könnten. Infolge des öffentlichen Drucks und der Proteste wurden einige Bestimmungen der Reform 2019, insbesondere die Anforderungen an Upload-Filter, angepasst.
Online-Petitionen lassen sich ohne Zweifel als ein wichtiges Instrument der politischen Teilhabe betrachten. Auch wenn ihr direkter Einfluss auf politische Entscheidungen oft begrenzt ist, schaffen sie es, öffentliche Aufmerksamkeit und Druck zu erzeugen und gesellschaftliche Diskussionen anzustoßen. Sie bieten eine niederschwellige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, und tragen dazu bei, das Bewusstsein für wichtige Themen zu schärfen, während sie gleichzeitig ein Gefühl von Gemeinschaft stiften. Auch wenn ihr direkter Einfluss begrenzt bleibt, vermitteln sie Menschen das Gefühl, nicht allein zu sein. Oft ist dieses Bewusstsein der erste Schritt, der den Weg für Veränderungen ebnet und einen Nährboden für politischen Druck schafft.
Luca studiert Kulturwissenschaften, Medien und Literatur. Sie bringt umfangreiche Erfahrung in der Lektorats- und Redaktionsarbeit, der Entwicklung digitaler Formate sowie im journalistischen und kreativen Schreiben mit.
Online-Petitionen sind derzeit ein beliebtes Mittel digitaler Meinungsäußerung. Sie versprechen demokratische Teilhabe auf Knopfdruck und können in nur kurzer Zeit ein breites Publikum erreichen. Doch was bleibt von dieser schnellen Aufmerksamkeit, wenn der erste Hype vorüber ist? Wie viel Einfluss haben Online-Petitionen tatsächlich, wenn es um konkrete politische Entscheidungen und Prozesse geht – und wo stoßen sie an ihre Grenzen?
Online-Petitionen gibt es heute wie Sand am Meer. Viele bleiben folgenlos, andere entfalten große Wirkung. Eines der bekannteste Beispiele für eine erfolgreiche Online-Petition ist wohl die „Justice for George Floyd“-Petition, die im Mai 2020 nach dem Tod von George Floyd auf Change.org ins Leben gerufen wurde, um die strafrechtliche Verantwortung der Polizisten, die direkt an seinem Tod beteiligt waren, einzufordern. Mit über 19,6 Millionen gesammelten Unterschriften gilt sie als die erfolgreichste Online-Petition weltweit, sowohl aufgrund der enormen Zahl an Unterstützer:innen als auch, weil sie maßgeblich zur globalen Debatte über Polizeigewalt und Rassismus beitrug.
Die Wirkung von Online-Petitionen wie dieser zeigen, welche Kraft im digitalen Protest stecken kann – zumindest dann, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt den Nerv der Gesellschaft treffen. Obwohl solche Erfolge die Ausnahme bleiben, wächst das Interesse an dieser Form der Beteiligung spürbar. Besonders seit der letzten Bundestagswahl ist angesichts intensiver Debatten über die Stabilität der Demokratie in Deutschland ein wachsendes Bedürfnis nach politischer Mitbestimmung zu beobachten. Online-Petitionen bieten dafür eine niederschwellige Möglichkeit.
Laut Artikel 17 des Grundgesetzes hat jeder Mensch das Recht, sich allein oder gemeinsam mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an zuständige Stellen zu wenden – etwa an relevante Behörden, Ministerien oder Parlamente. Dieses Recht gilt gleichermaßen für analoge wie für digitale Petitionen. Petitionsadressat:innen sind verpflichtet, diese entgegenzunehmen und zu beantworten, wobei jedoch keine Pflicht zur Umsetzung besteht. Der Erfolg einer Petition hängt daher maßgeblich davon ab, die richtigen Adressat:innen zu finden deren Aufmerksamkeit zu gewinnen. So war die Online-Petition „Justice for George Floyd“ an den Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, sowie den zuständigen Staatsanwalt Mike Freeman gerichtet, der nur wenige Tage nach dem Vorfall Anklage gegen den beteiligten Polizisten erhob.
Bei Petitionen an den Bundestag ist zudem zu beachten, dass das Anliegen dem Allgemeinwohl dienen und ein Quorum von 30.000 Stimmen erreichen muss, um einen gewissen Konsens zu gewährleisten. Plattformen wie Change.org hingegen setzen stärker auf persönliche Betroffenheit, wie der Jahresbericht der Friedrich-Ebert-Stiftung für den Zeitraum 2016 bis 2020 zeigt. Demnach haben rund zwei Drittel der befragten Nutzer:innen von Change.org ihre Online-Petition aus einem persönlichen Impuls heraus gestartet, oft ohne strategische Überlegungen zur Mobilisierung von Unterstützenden, was die Erfüllung der formalen Anforderungen für Bundestagspetitionen erschwert. Zudem gelten für Online-Petitionen oft strengere Verifizierungsregeln hinsichtlich der digitalen Unterschriften, um Identitäten zu bestätigen und Mehrfachabstimmungen zu verhindern.
Online-Petitionen sind ein vergleichsweise junges Phänomen, das mit dem Aufkommen des Internets als neuem Raum für demokratische Teilhabe Einzug gehalten und rasch an Bedeutung gewonnen hat. Ein Meilenstein war die Gründung von Change.org im Jahr 2007. Die Plattform ermöglichte erstmals ein niederschwelliges digitales Engagement und verzeichnet heute laut eigenen Angaben über 700 Millionen Nutzer:innen weltweit, darunter 8 Millionen in Deutschland. Plattformen wie diese haben das Engagement der Menschen für soziale und politische Themen enorm gesteigert und Online-Petitionen zu einem echten Massenphänomen gemacht. Die genaue Zahl aktiver Online-Petitionsplattformen lässt sich schwer beziffern, da ständig neue Anbieter auftauchen und andere wieder verschwinden. Schätzungen gehen jedoch von etwa 50 bis 100 aktiven Plattformen aus. Zu den etablierten gehören Change.org, Avaaz, OpenPetition, WeAct und Campact.
Unabhängig von der Plattform folgt eine Online-Petition in der Regel einem klaren Muster: Ein Anliegen wird mit einer Forderung und einem prägnanten Titel formuliert, oft unterstützt durch persönliche Geschichten und emotionale Appelle. Thematisch decken Online-Petitionen zwar ein breites Spektrum ab, ihr Fokus liegt jedoch überwiegend auf progressiven Anliegen. Dies liegt zum einen daran, dass Themen, die auf eine moderne, inklusive und gerechtere Gesellschaft abzielen, stärker mobilisieren, und zum anderen daran, dass viele der Plattformen ihren Ursprung in zivilgesellschaftlichen Initiativen haben.
Eine gut durchdachte Strategie ist entscheidend für den Erfolg einer Online-Petition, da virale Effekte meist nur dann entstehen, wenn die Petition frühzeitig und gezielt über soziale Netzwerke verbreitet wird. Mitarbeiter:innen von Plattformen wie WeAct und Change.org bieten hierfür Kampagnen-Tipps und Vorlagen. Allerdings behalten sie sich vor, selbst zu entscheiden, wie stark und nach welchen Kriterien sie eine Online-Petition fördern. OpenPetition schreibt dazu auf ihrer Website: „Wenn wir merken, dass Sie sich stark engagieren, dann engagieren wir uns auch für Sie.“ Der Erfolg einer Online-Petition hängt demnach stark von der aktiven Beteiligung ihrer Initiator:innen ab. Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellte fest, dass über 20 % der Nutzer:innen von Change.org nach dem Start ihrer Online-Petition keine weiteren Schritte zur Verbreitung unternahmen. Wer jedoch über einen längeren Zeitraum sichtbar bleiben möchte, muss dauerhaft aktiv sein und die Online-Petition auch im analogen Raum weitertragen. Plattformen wie innn.it betonen, dass Online-Petitionen vor allem dann an Sichtbarkeit gewinnen, wenn sie durch öffentlichkeitswirksame Aktionen begleitet werden. Dazu zählen zum Beispiel Demonstrationen, die Unterstützung durch bekannte Persönlichkeiten oder die Verbreitung über soziale Medien mithilfe von gut durchdachten Hashtags. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind und eine klare Strategie verfolgt wird, lässt sich in vielen Fällen eine große Zahl digitaler Unterschriften erreichen. Diese Zahl gilt als erster messbarer Erfolgsfaktor, denn je mehr Menschen sich hinter einem Anliegen versammeln, desto größer wird der Druck auf die Verantwortlichen. Auch wenn es keine klar definierte Grenze gibt, ab wann eine Online-Petition als erfolgreich gilt, haben sich bestimmte Orientierungswerte etabliert. Eine Online-Petition mit rund 50.000 Unterschriften wird meist als beachtlich eingestuft. Ab einer Größenordnung von 500.000 bis hin zu einer Million Unterstützenden wird sie in der Regel als besonders wirkungsvoll wahrgenommen, vor allem dann, wenn sie mediale Aufmerksamkeit erzeugt und politische Reaktionen hervorruft. Denn ohne öffentliche Debatte bleibt selbst eine Petition mit Millionen von Unterstützenden häufig ohne Wirkung.
Als besonders wirksames Beispiel gilt die Online-Petition „Wehrhafte Demokratie: Höcke stoppen!“, die im November 2023 auf WeAct gestartet wurde. Ziel der Petition war es, ein Verfahren zur Prüfung der Grundrechtsverwirkung gegen den rechtsextremen AfD-Politiker Björn Höcke einzuleiten. Sie sammelte mehr als 1,7 Millionen Unterschriften und erlangte große mediale Aufmerksamkeit. So wurde die Übergabe der Petition an den Bundestag von den führenden Medien begleitet. Dabei betonte das ARD-Morgenmagazin, dass bereits die Diskussion über eine mögliche Grundrechtsverwirkung als politischer Erfolg und als ein wichtiges Signal für eine wehrhafte Demokratie gewertet werden könne. Auf ähnliche Weise erlangte auch die von der Hartz-IV-Empfängerin Sandra S. initiierte Online-Petition auf der Plattform Change.org große mediale Aufmerksamkeit. In dieser forderte sie den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn dazu auf, für einen Monat von Hartz IV zu leben. Der provokante Vorschlag fand bei vielen Menschen schnell Anklang und nur 24 Stunden nach dem Start ihrer Petition berichtete die Tagesschau bereits darüber. In kürzester Zeit wurde hier eine breite öffentliche Diskussion über die Lebensrealität von Hartz-IV-Empfängern losgetreten, was letztlich sogar zu einem politischen Dialog mit dem Ministerium führte.
Diese Beispiele zeigen, dass der Erfolg einer Online-Petition nicht nur anhand der Erreichung ihrer Ziele gemessen werden kann. Stattdessen sprechen viele auch dann von einem Erfolg, wenn eine Online-Petition öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, Debatten anstößt oder das Bewusstsein für ein Thema schärft. Die Friedrich-Ebert-Stiftung stellt fest, dass viele der Befragten ihre Petition als erfolgreich betrachteten, wenn sie Menschen zum Nachdenken anregte. Gleichzeitig gaben jedoch nur rund 25 Prozent an, dass ihre Forderungen tatsächlich umgesetzt wurden. Das zeigt, wie schwierig es ist, den Erfolg einer Online-Petition objektiv zu messen. Letztlich entscheiden die Initiator:innen selbst, wann sie ihre Online-Petition als erfolgreich betrachten. Auf Change.org können sie dementsprechend auch selbst festlegen, ab wann und ob sie ihre Online-Petition als abgeschlossen erklären, ohne dass eine zusätzliche Verifizierung durch die Plattformanbieter:innen erforderlich ist.
Ein Hindernis für den Erfolg von Online-Petitionen ist mitunter die offene Struktur der Plattformen, da auf den meisten von ihnen keine festen Laufzeiten gelten - im Gegensatz zum Beispiel zum Bundestag oder anderen institutionellen Verfahren, in denen Petitionen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens geprüft und bearbeitet werden müssen. Viele Online-Petitionen ziehen sich daher über Monate oder sogar Jahre hinweg, wodurch ihre jeweilige Dringlichkeit verloren geht und sie häufig in Vergessenheit geraten.
Trotz der Tatsache, dass die meisten Online-Petitionen ihre Ziele nicht erreichen, erfreuen sie sich ungebrochener Beliebtheit, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. Ein wesentlicher Grund sind die niedrigen Zugangshürden, die es den Menschen ermöglichen, schnell und unkompliziert ihre Unterstützung zu zeigen. Was früher mit erheblichem Aufwand verbunden war, wie etwa Infostände oder Hausbesuche, lässt sich heute mit nur einem Klick auf einer digitalen Plattform erledigen. Kritiker:innen sprechen in diesem Zusammenhang von passiver Online-Unterstützung und „Clicktivism“ – dem Trend, bei dem Menschen bequem von zu Hause aus ihre Haltung zeigen, ohne sich wirklich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Für viele bleibt es beim ersten Klick und der einmaligen Unterschrift, während der eigentliche persönliche Einsatz, wie etwa die Teilnahme an Demonstrationen, oft ausbleibt. Dieser geringe Aufwand spiegelt sich in der niedrigen Erfolgsquote vieler Petitionen wider. Denn wie bei allem gilt: Je größer der Einsatz, desto größer der Erfolg. Viele Menschen scheinen weniger an tatsächlicher Veränderung interessiert zu sein, sondern möchten ihr Gewissen mit minimalem Aufwand entlasten oder symbolisch Druck ausüben. Die anhaltende Beliebtheit von Online-Petitionen lässt sich auch durch den häufigen Einsatz emotionaler Sprache erklären. Dramatische Formulierungen und Zuspitzungen werden oft und gerne genutzt, um gezielt Aufmerksamkeit zu erregen und Menschen zu mobilisieren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Online-Petition gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform speziell gegen Artikel 13 (inzwischen Artikel 17), die mit Slogans wie „Rettet das Internet!“ Millionen mobilisierte. Diese emotionale Formulierung sprach direkt die Ängste und Sorgen der Menschen an, dass ihre Freiheit und die Nutzung des Internets eingeschränkt werden könnten. Infolge des öffentlichen Drucks und der Proteste wurden einige Bestimmungen der Reform 2019, insbesondere die Anforderungen an Upload-Filter, angepasst.
Online-Petitionen lassen sich ohne Zweifel als ein wichtiges Instrument der politischen Teilhabe betrachten. Auch wenn ihr direkter Einfluss auf politische Entscheidungen oft begrenzt ist, schaffen sie es, öffentliche Aufmerksamkeit und Druck zu erzeugen und gesellschaftliche Diskussionen anzustoßen. Sie bieten eine niederschwellige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, und tragen dazu bei, das Bewusstsein für wichtige Themen zu schärfen, während sie gleichzeitig ein Gefühl von Gemeinschaft stiften. Auch wenn ihr direkter Einfluss begrenzt bleibt, vermitteln sie Menschen das Gefühl, nicht allein zu sein. Oft ist dieses Bewusstsein der erste Schritt, der den Weg für Veränderungen ebnet und einen Nährboden für politischen Druck schafft.
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