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Kulturbotschaft Berlin
07/05/2025

Von der physischen zur virtuellen Realität: Wie virtuelle Räume unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von Realität verändern

von Luca Körnich

Stell dir vor, du sitzt zu Hause auf dem Sofa und setzt eine VR-Brille auf. Sekunden später befindest du dich in einem virtuellen Seminarraum, umgeben von Avataren, mit denen du eine Präsentation betrachtest, über die ihr gemeinsam sprecht und diskutiert. Obwohl ihr physisch an unterschiedlichen Orten seid, lässt dich die gemeinsame Erfahrung im virtuellen Raum die räumliche Distanz fast vergessen. Solche Gedankenexperimente zeigen, wie durchlässig die Grenze zwischen der physischen und der virtuellen Welt geworden ist und werfen die Frage auf, ob Erlebnisse im virtuellen Raum genauso wirklich sein können wie jene in der „wirklichen“ Welt. Und wenn ja, was bedeutet das für unser Verständnis von Realität?

Virtuelle Räume gibt es heute in vielen Formen und Ausprägungen, und sie sind längst mehr als bloße Spielerei. Sie prägen zunehmend unseren Alltag und verändern, wie wir arbeiten, lernen und miteinander kommunizieren. Doch was genau meinen wir, wenn wir von Virtualität sprechen – und was macht sie so bedeutsam für unsere Erfahrungswelt?

 

Was ist Virtualität? Eine begriffliche Annäherung 

Virtualität bezeichnet Räume, die durch digitale Technologien erschaffen wurden und keine materielle Existenz besitzen. Während digitale Räume häufig als Plattformen für Kommunikation, Vernetzung oder Informationsaustausch dienen, gehen virtuelle Welten darüber hinaus. Sie ermöglichen es uns, in dreidimensionale Umgebungen einzutauchen, in denen wir als Avatare agieren und Situationen sowie Momente erleben können, die durch ihre Interaktivität, Immersion und ästhetische Gestaltung einzigartig sind. Diese Erfahrungen können emotional, sozial und kognitiv auf uns einwirken, was beeinflussen kann, wie wir handeln, empfinden und Beziehungen gestalten – auf eine Weise, die sich zwar von der physischen Welt unterscheidet, aber genauso tiefgreifend und bedeutsam sein kann. 

Um das Phänomen der Virtualität besser zu erfassen, hilft zudem ein Blick auf die Herkunft des Begriffs. Zurückführen lässt sich dieser auf das lateinische Wort „virtus“, das mit „Kraft“ oder „Wirksamkeit“ übersetzt wird und die Fähigkeit beschreibt, etwas zu bewirken. Virtualität kann etymologisch also nicht nur als bloße Abbildung der Realität oder reine Illusion verstanden werden kann, sondern als dynamische, interaktive Sphären mit eigener Wirksamkeit. 

Virtualität ist somit in ihrer Wirkung und Präsenz erfahrbar, obwohl sie keine physische Existenz besitzt, und beschreibt einen anderen Modus des Wirklichen, der unsere Wahrnehmung erweitern und verändern kann.

 

Virtuelle Welten als Erfahrungsräume

Diese Wirksamkeit kommt besonders in virtuellen Welten zum Ausdruck, die heute als interaktive 3D-Plattformen auf VR-, AR- und Gaming-Technologien basieren und uns eine neue Dimension von Immersion und Mitgestaltung eröffnen. Zwar gibt es auch textbasierte oder eher narrative virtuelle Welten, doch immer mehr manifestieren sie sich in Form von Metaverse-Anwendungen, also digitalen Umgebungen, in denen Nutzer:innen nicht nur interagieren, sondern auch Inhalte erstellen und an virtuellen Ökonomien teilnehmen können. Diese Welten bieten keine bloße Repräsentation der Realität, sondern schaffen eigene Erfahrungslogiken: Sie sind beispielsweise Räume, in denen Schwerkraft anders funktioniert, Zeit sich dehnt oder Identitäten fluide werden. Die digitale Ästhetik löst sich dabei von der Notwendigkeit, „echt“ auszusehen, und erschafft eine eigene Form von Echtheit, die mit neuen Gesetzen arbeitet. Zu den bekanntesten virtuellen Plattformen gehören VRChat, Second Life, Horizon Worlds, Decentraland, The Sandbox und Roblox. Zwar unterscheiden sie sich im Grad der Immersion, Offenheit und Zielsetzung, erfüllen im Kern jedoch die Merkmale virtueller Welten, da es sich bei ihnen um digitale, persistent zugängliche Räume handelt, in denen Nutzer:innen interagieren, gestalten und soziale Erfahrungen machen können. 

VRChat ist eine seit 2014 verfügbare Social-VR-Plattform, die es Nutzer:innen ermöglicht, sich mit einem individuell gestalteten Avatar, also einer digitalen Figur, die einen selbst im virtuellen Raum repräsentiert, in nutzergenerierten 3D-Welten zu bewegen. Diese können zum Beispiel Cafés und Clubs, Naturkulissen, Fantasielandschaften oder detailgetreue Nachbildungen realer Orte sein. Innerhalb dieser können Nutzer:innen in Echtzeit über Textnachrichten oder Mikrofon durch ihre Avatare miteinander kommunizieren. VR-Brillen mit Gestenerkennung ermöglichen zudem live übertragbare Körperbewegungen und Mimik. Dadurch sind zum Beispiel Audio-Lippensynchronisation und Eye-Tracking möglich, was die Interaktion noch realistischer und immersiver gestaltet. Auf diese Weise kann man in den virtuellen Sphären von VRChat Kontakte knüpfen, Gruppen bilden und sich zu wiederkehrenden Terminen verabreden – sich aber jederzeit auch alleine in einen virtuellen Raum zurückziehen, fast wie im „realen“ Leben. Jedoch, anders als im „realen“ Leben, kann man hier auch fantastische Welten betreten und sich mit Menschen treffen, die in der physischen Welt oft nur schwer erreichbar wären. Dabei lernt man, digital zu spüren, zu lesen und zu deuten. Das zeigt, dass virtuelle Räume wie VRChat nicht einfach nur ein Spiel sind, sondern ein soziales Netzwerk in 3D, in dem Realität, Kreativität und digitale Identität auf neue Weise zusammenkommen. 

Während Plattformen wie VRChat die soziale Dimension virtueller Identität betonen, führen andere Anwendungen das Prinzip immersiver Erfahrung noch einen Schritt weiter und richten den Fokus auf die Verkörperung gänzlich anderer Existenzen. In VR-Installationen wie Tree verwandelt sich die betrachtende Person in einen Baum, vom Samen bis zur Entwurzelung. Die Transformation ist körperlich spürbar: Der Wind rauscht, der Boden vibriert, die Blätter wachsen, was man nur aus dem Augenwinkel aus der Blickrichtung des Stammes sehen kann. Die Virtualität erschafft dabei keine bloße Simulation, sondern eine fühlbare Metapher. Die eigene Identität tritt zurück, und man nimmt die Perspektive einer anderen Lebensform ein, nämlich die eines Baumes aus dem Regenwald, der schließlich Teil eines Waldbrandes wird. 

Solche Beispiele zeigen, dass virtuelle Ästhetik weit mehr ist als bloße Repräsentation. Sie schafft Erfahrungsräume, die auf eine andere Weise real sind als die, die wir in der physischen Welt erleben, und die in ihrer Wirkung unmittelbar, emotional und oft tief berührend sind. Gerade darin liegt ihr Potenzial: Sie erweitert unser Verständnis dessen, was wir als Realität begreifen können.

 

Von der Photogénie zur virtuellen Erfahrung 

Die damit verbundene Erweiterung unseres Bewusstseins stellt dabei kein völlig neues Phänom dar. Bereits mit dem Aufkommen des Kinos im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert veränderte sich die menschliche Wahrnehmung und das Denken erheblich. Der französische Regisseur und Filmtheoretiker Louis Delluc (1890-1924) etwa sah im Film keine bloße Abbildung der Welt, sondern eine neue ästhetische Erfahrungsform. Er prägte den Begriff der Photogénie, der die Fähigkeit des Films beschreibt, durch filmische Mittel wie Beleuchtung, Zeitlupe oder Bildkomposition Objekten eine gesteigerte Ausdruckskraft zu verleihen und so flüchtige Eindrücke zu intensivieren. Diese filmische Gestaltung erzeugt Momente intensiven Erlebens, die unsere emotionale Wahrnehmung erweitern und die in der analogen Welt so nicht möglich wären. 

Wie die Kamera im Kino unseren Blick lenkt und unsere Wahrnehmung formt, lenken virtuelle Strukturen unser Erleben. Doch im Unterschied zum Film sind wir nicht mehr nur passive Rezipient:innen, sondern Teilnehmende. Wir klicken, scrollen, bewegen Avatare und interagieren mit anderen. Die Ästhetik ist dabei dynamisch. Sie reagiert auf uns, und wir reagieren auf sie. Dabei wirkt Virtualität tief in unser Selbstbild, unsere Sprache und unsere Beziehungen hinein. Zwar ist die körperliche Präsenz dabei stark reduziert, doch ist die mentale und emotionale Präsenz dafür umso intensiver.

 

Virtualisierung der Arbeitswelt 

Bereits im digitalen Zeitalter zeichnete sich ein tiefgreifender Wandel ab, der unsere Arbeitsweise grundlegend neu konfiguriert hat: Büros und Besprechungsräume wurden vielerorts in digitale Umgebungen verlagert, Bücher durch Softwares ersetzt, Schreibtische durch Computer und der Aktenschrank durch die Cloud. Doch mit dem Einzug der Virtualität geht es längst nicht mehr nur um die Entwicklung neuer digitaler Tools, sondern um eine grundlegend veränderte Arbeitswirklichkeit, in der sich auch die Art der Zusammenarbeit gewandelt hat. Remote-Arbeit und Home-Office waren wichtige Zwischenschritte auf dem Weg zu dieser Entwicklung. Der nächste Schritt führt jedoch weiter und lässt die Arbeitsumgebung nicht nur an andere, frei wählbare Orte verlagern, sondern sie wird selbst neu gedacht. Diese Entwicklung vollzieht sich in virtuellen Schichten, selbst dann, wenn physische Nähe gegeben ist. Meetings können so zum Beispiel in virtuellen Umgebungen stattfinden, und Trainings können in simulierten 3D-Szenarien durchgeführt werden. Die Arbeit bleibt dabei virtuell, auch wenn sich Mitarbeiter:innen im selben Raum befinden. Die Virtualisierung der Arbeit ist damit keine bloße Reaktion auf technische Entwicklungen mehr, sondern Ausdruck eines tieferliegenden Wandels. Arbeit ist nicht mehr nur das, was wir tun, sondern auch der Raum, in dem wir einander begegnen, uns vernetzen und gemeinsam Wirklichkeit schaffen. 

Ein Blick in die Zukunft virtueller Räume zeigt, dass die Grenze zwischen der physischen und der virtuellen Welt weiter verschwimmen wird. Virtuelle Umgebungen werden zunehmend ein integraler Bestandteil unseres Arbeits-, Lern- und Soziallebens. Die zunehmende Immersion und Interaktivität solcher Räume wird unsere Wahrnehmung von Realität weiter herausfordern und neue Formen der Identitätsbildung ermöglichen. Doch diese Entwicklung wirft auch Fragen auf, insbesondere nach Haltung, Gestaltung und Verantwortung. Es geht darum, wie wir diese Räume bewusst nutzen können – kommunikativ, strategisch und kulturell. In diesem Wandel versteht sich die Kulturbotschaft als Schnittstelle, Impulsgeberin und Begleiterin, insbesondere bei Fragen der Kommunikation und strategischen Beratung.

Zum Glossar rund um Begriffe des Virtuellen.

Kulturbotschaft Berlin

Luca Körnich

Luca studiert Kulturwissenschaften, Medien und Literatur. Sie bringt umfangreiche Erfahrung in der Lektorats- und Redaktionsarbeit, der Entwicklung digitaler Formate sowie im journalistischen und kreativen Schreiben mit.

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07/05/2025

Von der physischen zur virtuellen Realität: Wie virtuelle Räume unsere Wahrnehmung und unser Verständnis von Realität verändern

von Luca Körnich

Stell dir vor, du sitzt zu Hause auf dem Sofa und setzt eine VR-Brille auf. Sekunden später befindest du dich in einem virtuellen Seminarraum, umgeben von Avataren, mit denen du eine Präsentation betrachtest, über die ihr gemeinsam sprecht und diskutiert. Obwohl ihr physisch an unterschiedlichen Orten seid, lässt dich die gemeinsame Erfahrung im virtuellen Raum die räumliche Distanz fast vergessen. Solche Gedankenexperimente zeigen, wie durchlässig die Grenze zwischen der physischen und der virtuellen Welt geworden ist und werfen die Frage auf, ob Erlebnisse im virtuellen Raum genauso wirklich sein können wie jene in der „wirklichen“ Welt. Und wenn ja, was bedeutet das für unser Verständnis von Realität?

Virtuelle Räume gibt es heute in vielen Formen und Ausprägungen, und sie sind längst mehr als bloße Spielerei. Sie prägen zunehmend unseren Alltag und verändern, wie wir arbeiten, lernen und miteinander kommunizieren. Doch was genau meinen wir, wenn wir von Virtualität sprechen – und was macht sie so bedeutsam für unsere Erfahrungswelt?

 

Was ist Virtualität? Eine begriffliche Annäherung 

Virtualität bezeichnet Räume, die durch digitale Technologien erschaffen wurden und keine materielle Existenz besitzen. Während digitale Räume häufig als Plattformen für Kommunikation, Vernetzung oder Informationsaustausch dienen, gehen virtuelle Welten darüber hinaus. Sie ermöglichen es uns, in dreidimensionale Umgebungen einzutauchen, in denen wir als Avatare agieren und Situationen sowie Momente erleben können, die durch ihre Interaktivität, Immersion und ästhetische Gestaltung einzigartig sind. Diese Erfahrungen können emotional, sozial und kognitiv auf uns einwirken, was beeinflussen kann, wie wir handeln, empfinden und Beziehungen gestalten – auf eine Weise, die sich zwar von der physischen Welt unterscheidet, aber genauso tiefgreifend und bedeutsam sein kann. 

Um das Phänomen der Virtualität besser zu erfassen, hilft zudem ein Blick auf die Herkunft des Begriffs. Zurückführen lässt sich dieser auf das lateinische Wort „virtus“, das mit „Kraft“ oder „Wirksamkeit“ übersetzt wird und die Fähigkeit beschreibt, etwas zu bewirken. Virtualität kann etymologisch also nicht nur als bloße Abbildung der Realität oder reine Illusion verstanden werden kann, sondern als dynamische, interaktive Sphären mit eigener Wirksamkeit. 

Virtualität ist somit in ihrer Wirkung und Präsenz erfahrbar, obwohl sie keine physische Existenz besitzt, und beschreibt einen anderen Modus des Wirklichen, der unsere Wahrnehmung erweitern und verändern kann.

 

Virtuelle Welten als Erfahrungsräume

Diese Wirksamkeit kommt besonders in virtuellen Welten zum Ausdruck, die heute als interaktive 3D-Plattformen auf VR-, AR- und Gaming-Technologien basieren und uns eine neue Dimension von Immersion und Mitgestaltung eröffnen. Zwar gibt es auch textbasierte oder eher narrative virtuelle Welten, doch immer mehr manifestieren sie sich in Form von Metaverse-Anwendungen, also digitalen Umgebungen, in denen Nutzer:innen nicht nur interagieren, sondern auch Inhalte erstellen und an virtuellen Ökonomien teilnehmen können. Diese Welten bieten keine bloße Repräsentation der Realität, sondern schaffen eigene Erfahrungslogiken: Sie sind beispielsweise Räume, in denen Schwerkraft anders funktioniert, Zeit sich dehnt oder Identitäten fluide werden. Die digitale Ästhetik löst sich dabei von der Notwendigkeit, „echt“ auszusehen, und erschafft eine eigene Form von Echtheit, die mit neuen Gesetzen arbeitet. Zu den bekanntesten virtuellen Plattformen gehören VRChat, Second Life, Horizon Worlds, Decentraland, The Sandbox und Roblox. Zwar unterscheiden sie sich im Grad der Immersion, Offenheit und Zielsetzung, erfüllen im Kern jedoch die Merkmale virtueller Welten, da es sich bei ihnen um digitale, persistent zugängliche Räume handelt, in denen Nutzer:innen interagieren, gestalten und soziale Erfahrungen machen können. 

VRChat ist eine seit 2014 verfügbare Social-VR-Plattform, die es Nutzer:innen ermöglicht, sich mit einem individuell gestalteten Avatar, also einer digitalen Figur, die einen selbst im virtuellen Raum repräsentiert, in nutzergenerierten 3D-Welten zu bewegen. Diese können zum Beispiel Cafés und Clubs, Naturkulissen, Fantasielandschaften oder detailgetreue Nachbildungen realer Orte sein. Innerhalb dieser können Nutzer:innen in Echtzeit über Textnachrichten oder Mikrofon durch ihre Avatare miteinander kommunizieren. VR-Brillen mit Gestenerkennung ermöglichen zudem live übertragbare Körperbewegungen und Mimik. Dadurch sind zum Beispiel Audio-Lippensynchronisation und Eye-Tracking möglich, was die Interaktion noch realistischer und immersiver gestaltet. Auf diese Weise kann man in den virtuellen Sphären von VRChat Kontakte knüpfen, Gruppen bilden und sich zu wiederkehrenden Terminen verabreden – sich aber jederzeit auch alleine in einen virtuellen Raum zurückziehen, fast wie im „realen“ Leben. Jedoch, anders als im „realen“ Leben, kann man hier auch fantastische Welten betreten und sich mit Menschen treffen, die in der physischen Welt oft nur schwer erreichbar wären. Dabei lernt man, digital zu spüren, zu lesen und zu deuten. Das zeigt, dass virtuelle Räume wie VRChat nicht einfach nur ein Spiel sind, sondern ein soziales Netzwerk in 3D, in dem Realität, Kreativität und digitale Identität auf neue Weise zusammenkommen. 

Während Plattformen wie VRChat die soziale Dimension virtueller Identität betonen, führen andere Anwendungen das Prinzip immersiver Erfahrung noch einen Schritt weiter und richten den Fokus auf die Verkörperung gänzlich anderer Existenzen. In VR-Installationen wie Tree verwandelt sich die betrachtende Person in einen Baum, vom Samen bis zur Entwurzelung. Die Transformation ist körperlich spürbar: Der Wind rauscht, der Boden vibriert, die Blätter wachsen, was man nur aus dem Augenwinkel aus der Blickrichtung des Stammes sehen kann. Die Virtualität erschafft dabei keine bloße Simulation, sondern eine fühlbare Metapher. Die eigene Identität tritt zurück, und man nimmt die Perspektive einer anderen Lebensform ein, nämlich die eines Baumes aus dem Regenwald, der schließlich Teil eines Waldbrandes wird. 

Solche Beispiele zeigen, dass virtuelle Ästhetik weit mehr ist als bloße Repräsentation. Sie schafft Erfahrungsräume, die auf eine andere Weise real sind als die, die wir in der physischen Welt erleben, und die in ihrer Wirkung unmittelbar, emotional und oft tief berührend sind. Gerade darin liegt ihr Potenzial: Sie erweitert unser Verständnis dessen, was wir als Realität begreifen können.

 

Von der Photogénie zur virtuellen Erfahrung 

Die damit verbundene Erweiterung unseres Bewusstseins stellt dabei kein völlig neues Phänom dar. Bereits mit dem Aufkommen des Kinos im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert veränderte sich die menschliche Wahrnehmung und das Denken erheblich. Der französische Regisseur und Filmtheoretiker Louis Delluc (1890-1924) etwa sah im Film keine bloße Abbildung der Welt, sondern eine neue ästhetische Erfahrungsform. Er prägte den Begriff der Photogénie, der die Fähigkeit des Films beschreibt, durch filmische Mittel wie Beleuchtung, Zeitlupe oder Bildkomposition Objekten eine gesteigerte Ausdruckskraft zu verleihen und so flüchtige Eindrücke zu intensivieren. Diese filmische Gestaltung erzeugt Momente intensiven Erlebens, die unsere emotionale Wahrnehmung erweitern und die in der analogen Welt so nicht möglich wären. 

Wie die Kamera im Kino unseren Blick lenkt und unsere Wahrnehmung formt, lenken virtuelle Strukturen unser Erleben. Doch im Unterschied zum Film sind wir nicht mehr nur passive Rezipient:innen, sondern Teilnehmende. Wir klicken, scrollen, bewegen Avatare und interagieren mit anderen. Die Ästhetik ist dabei dynamisch. Sie reagiert auf uns, und wir reagieren auf sie. Dabei wirkt Virtualität tief in unser Selbstbild, unsere Sprache und unsere Beziehungen hinein. Zwar ist die körperliche Präsenz dabei stark reduziert, doch ist die mentale und emotionale Präsenz dafür umso intensiver.

 

Virtualisierung der Arbeitswelt 

Bereits im digitalen Zeitalter zeichnete sich ein tiefgreifender Wandel ab, der unsere Arbeitsweise grundlegend neu konfiguriert hat: Büros und Besprechungsräume wurden vielerorts in digitale Umgebungen verlagert, Bücher durch Softwares ersetzt, Schreibtische durch Computer und der Aktenschrank durch die Cloud. Doch mit dem Einzug der Virtualität geht es längst nicht mehr nur um die Entwicklung neuer digitaler Tools, sondern um eine grundlegend veränderte Arbeitswirklichkeit, in der sich auch die Art der Zusammenarbeit gewandelt hat. Remote-Arbeit und Home-Office waren wichtige Zwischenschritte auf dem Weg zu dieser Entwicklung. Der nächste Schritt führt jedoch weiter und lässt die Arbeitsumgebung nicht nur an andere, frei wählbare Orte verlagern, sondern sie wird selbst neu gedacht. Diese Entwicklung vollzieht sich in virtuellen Schichten, selbst dann, wenn physische Nähe gegeben ist. Meetings können so zum Beispiel in virtuellen Umgebungen stattfinden, und Trainings können in simulierten 3D-Szenarien durchgeführt werden. Die Arbeit bleibt dabei virtuell, auch wenn sich Mitarbeiter:innen im selben Raum befinden. Die Virtualisierung der Arbeit ist damit keine bloße Reaktion auf technische Entwicklungen mehr, sondern Ausdruck eines tieferliegenden Wandels. Arbeit ist nicht mehr nur das, was wir tun, sondern auch der Raum, in dem wir einander begegnen, uns vernetzen und gemeinsam Wirklichkeit schaffen. 

Ein Blick in die Zukunft virtueller Räume zeigt, dass die Grenze zwischen der physischen und der virtuellen Welt weiter verschwimmen wird. Virtuelle Umgebungen werden zunehmend ein integraler Bestandteil unseres Arbeits-, Lern- und Soziallebens. Die zunehmende Immersion und Interaktivität solcher Räume wird unsere Wahrnehmung von Realität weiter herausfordern und neue Formen der Identitätsbildung ermöglichen. Doch diese Entwicklung wirft auch Fragen auf, insbesondere nach Haltung, Gestaltung und Verantwortung. Es geht darum, wie wir diese Räume bewusst nutzen können – kommunikativ, strategisch und kulturell. In diesem Wandel versteht sich die Kulturbotschaft als Schnittstelle, Impulsgeberin und Begleiterin, insbesondere bei Fragen der Kommunikation und strategischen Beratung.

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