Ich weiß nicht, wie es euch gegangen ist, nachdem ich das "Sylt-Video" mehrfach gesehen hatte, konnte ich den Text nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Ich stand im Supermarkt an der Kasse und hörte diese Stimmen, ich hatte einen rechtspopulistischen Ohrwurm. Als Gegenmaßnahme habe ich andere Musik gehört, die Artikel zum Thema gemieden und nach ein paar Tagen war der Spuk vorbei.
Ich mag keine Partykracher und lehne den Text ab, trotzdem hat die Kombination aus Rhythmus und Melodie meine Grenzen überwunden und Spuren hinterlassen. Popsongs, Filmszenen oder Symbole zu vereinnahmen und umzudeuten, ist ein gängiges Vorgehen von Rechtspopulisten. Die rechtspopulistische Reise startet harmlos als Hintergrundmusik oder als Zitat und wird dann durch immer mehr Teilungen weiter aufgeladen.
Es entsteht ein rechtspopulistischer Ko-Kreationsprozess, in dem die Nutzenden ihre Texte zum Song ergänzen, die Melodien in neue Zusammenhänge bringen und in immer weitere Kreise teilen, bis sie schließlich vom digitalen in den analogen Raum wechseln. Durch die vielen digitalen Wiederholungen hat man dort den Eindruck, dass diese Parolen gesellschaftsfähig und sag- oder singbar sind.
Können wir etwas aus Sylt lernen? Die Ko-Kreation und die Zweckentfremdung von populärer Kultur kann man erst verbieten, wenn es geschehen ist. Es gibt wenig Ansatzpunkte für eine Prävention. Bars, Clubs und alle Institutionen, die mit Musik, Bildern und Symbolen arbeiten, benötigen eine hohe Aufmerksamkeit und Kenntnisse in Bezug auf die Symbolik. Die Sollbruchstelle ist der Grenzübertritt zwischen der digitalen und analogen Welt. Da können wir aufmerksam sein und die Grenzen des Nichtsagbaren weiter halten.
News & Hypersnacks
🎙️ Populismus und Popkultur: In der DLF-Sendung "Die Neue Rechte und der Pop" spricht Lars-Hendrik Berger mit verschiedenen Expert:innen darüber, wie die Neue Rechte ihre Ideologie zeitgenössisch verpackt.
🥡 Wie funktionieren populistische Kommunikationsstrategien im Digitalen? Und wie können Kulturschaffende Rechtspopulismus im digitalen Raum entgegenwirken? Um diese Fragen ging es im vergangenen Kulturbotschaft LunchLab – "Decoding Populism".
🗞️ Im Newsletter "Adé AfD" schreibt Franzi von Kempis einmal wöchentlich über Rechtspopulismus, zum Beispiel darüber, warum die AfD auf TikTok so erfolgreich ist. Infos, Tipps und Ideen für alle, die verhindern wollen, dass Rechtsextreme an die Macht kommen.
🍿 Das Populismus-Experiment: Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim veröffentlichte Anfang des Jahres ein provokantes Statement-Video, in dem sie ihre Unzufriedenheit zur aktuellen politischen Lage Deutschlands äußerte. Eine Woche später löste sie auf, dass das Video eine Aktion sei, um zu zeigen, wie populistische Rhetorik funktioniert und welche Tricks dabei angewendet werden.
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