Wer hat Lust auf Zukunft? Die meisten Menschen winken wohl ab, wenn sie diese Frage hören. Unser Gehirn hat die Tendenz, die Gegenwart in die Zukunft zu verlängern – dass etwas anderes passiert als das Vertraute, hält es offenbar für unwahrscheinlich. Und da unsere Zeit geprägt ist von Krisen, kommt uns die imaginierte Zukunft düster vor: noch ein Krieg, nochmal Trump, noch eine Pandemie – bitte nicht. Besser nicht an morgen denken!
Auch in der Kunst trifft man selten auf Utopien. Wenn überhaupt, werden ältere Konzepte wiederbelebt, in denen zumindest für einzelne gesellschaftliche Gruppen eine neue Perspektive entwickelt wird – etwa der Afrofuturismus. Statt die ganz große Super-Zukunft für alle an die Wand zu malen, suchen die meisten Künstler:innen eher nach Nebenwegen. Kann nicht auch ein Blick in die Vergangenheit neue Gedanken hervorbringen? Sind Wissensformen, die von westlicher Fortschritts-Ideologie übersehen wurden, nicht die wahren Neuigkeiten? Muss ich nicht erstmal die Wunden der Moderne und des Kolonialismus versorgen, bevor es weitergehen kann? Auf der diesjährigen Biennale in Venedig steht indigene Kunst im Mittelpunkt.
Während die Kunst sich in Bergung und Wiederbelebung älteren Wissens übt, findet eine neue technologische Revolution statt. Generative KI entwickelt sich in rasantem Tempo: Bilder, Filme, Texte können in unglaublicher Qualität produziert werden, die Fortschritte von Monat zu Monat kommen einem fast unwirklich vor. Der Impuls für neue Entwicklungen kommt derzeit aus der Technik. Mit den generativen KI-Programmen wird eine neue Stufe der Digitalisierung erreicht.
Es ist zu hoffen, dass die Kunst sich nicht einschüchtern lässt von der Wucht dieser Entwicklung. KI-Programme streben zur Perfektion, so wie es ganz früher die Maler in ihren Ateliers taten. Allerdings sind sie de facto nicht perfekt, und auch ihre gesellschaftlichen Bedingungen können sie nicht selbst reflektieren. Wenn die Kunst im Kontext von KI relevant bleiben will, muss sie ihr Augenmerk gerade auf das nicht-Perfekte richten, auf die Ränder, Fehler, Bedingungen und unprogrammierbaren Schönheiten des großen Generierens.
Im August bieten wir dazu ein LunchLab an: Die Kommunikationswissenschaftlerin und Digitalkuratorin Maren Burghard und der Künstler und Publizist Vladimir Alexeev aka Merzmensch zeigen, wie sich gerade durch KI-„Unfälle“ interessante Ergebnisse erzielen lassen. Ihre lustvollen Erkundungen neuer Möglichkeiten kann man zugleich als Appell an den Kunstbetrieb verstehen: Wieder Lust zu haben auf das Experiment, auf das Ungesehene, Ungedachte, Unrealisierte. Wer sich einlässt auf die komplexen Prozesse zwischen Mensch und Maschine, wird mit Staunen belohnt.
News & Hypersnacks
🔮 Zwei Zukunftsforscher aus zwei Generationen im Gespräch: Im Podcast Horx & Horx blicken Matthias und Tristan Horx auf gesellschaftliche Themen unserer Zeit.
🌳 KI-generierte Bilder können helfen, Zukunftsideen zu veranschaulichen, diese zu diskutieren und womöglich umzusetzen. Der Tagesspiegel lädt dazu ein, positive Zukunftsvisionen für Berlin mit Hilfe von KI zu kreieren und einzureichen. Wir sind gespannt auf die Beiträge.
🎵 Wie können wir uns die Zukunft vorstellen, wenn Vergangenheit und Gegenwart untragbar sind? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Ästhetik des Afrofuturismus. Wer mehr zum Thema erfahren möchte, kann sich die Dlf Doku Black to the Future - Ästhetik und Sound des Afrofuturismus anhören.
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