von Ralf Schlüter
Wenn über digitale Transformation gesprochen wird, gerät oft die Frage nach dem Sinn aus dem Blick. Was sollte in den Kulturinstitutionen jetzt passieren – und vor allem: warum?
Ich habe vor einigen Jahren einige Schüler:innen von Joseph Beuys zu Interviews getroffen. Beuys war ja nicht nur ein berühmter Künstler, er hat als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie sehr viele Menschen nachhaltig inspiriert, geprägt und beeinflusst.
Ein Beuys-Schüler erzählte mir, der Künstler habe seinen Studierenden damals vor allem immer wieder diese eine Frage gestellt: Warum? Warum machst du Kunst? Warum sieht deine Skulptur so aus und nicht anders? Warum hast du dich entschieden zu malen und nicht zu fotografieren?
Ich finde, man kann das von Beuys lernen. Dinge bekommen im Alltag oft einen Automatismus, und die Frage nach dem Sinn des Ganzen tritt zurück. Dabei ist sie die wichtigste.
Als wir diese Frage im Oktober 2023 auf dem Kultur Digital Kongress, den wir mit der Kulturstiftung des Bundes kuratiert haben, diskutierten, gab es verschiedene Antworten. Alistair Hudson, der neue Leiter des ZKM in Karlsruhe sagte: »there’s no way not to«. An der Transformation führt kein Weg vorbei.
Das ist sicher richtig, beantwortet aber noch nicht die Frage nach dem Warum. Im Dickicht der sehr rasanten Entwicklungen, mit denen die digitale Transformation an Wucht gewonnen hat, geht sie mal wieder verloren.
In der gleichen Woche, als unser Kongress in Essen stattfand, hat die Kultusministerkonferenz (KMK) ein interessantes Papier verabschiedet: »Empfehlung der Kulturministerkonferenz zu Digitalität und digitaler Transformation im Kulturbereich«. Sie basiert auf einer Studie, die von der Kulturstiftung der Länder herausgegeben wurde. In den »Empfehlungen« werden acht Handlungsfelder benannt, auf allen ist sozusagen dringend Aktion geboten. Nach meiner Einschätzung werden hier entscheidende Aufgaben der digitalen Transformation benannt.
Ich greife drei aus meiner Sicht zentrale Punkte heraus und behandele jeweils auch die Frage, WARUM sie wichtig sind.
Eine Strategie brauchen die Institutionen, um in der digitalisierten Öffentlichkeit überhaupt autonom handeln zu können. Immer mehr Bereiche des Lebens werden mit und durch digitale Medien erfasst, wenn Museen, Theater und andere nur stückweise und kontingent daran teilnehmen, berauben sie sich mittelfristig ihrer Wirkungsmöglichkeiten. Es geht dabei nicht nur um Technik, sondern um die veränderten Herangehensweisen an ALLES. Eine Digitalstrategie haben, heißt deswegen vor allem auch: einen Begriff vom Digitalen haben.
Arbeitsweisen
»Die digitale Transformation ist vor allem eine Organisations- und weniger eine IT- Herausforderung. Sie durchdringt alle Abteilungen und berührt das Selbstverständnis der Kulturinstitutionen. Das erfordert ein grundlegendes Umdenken hinsichtlich Personalentwicklung, Prozessen und Arbeitsweisen.«
Digitalität braucht und begünstigt Arbeitsweisen, die nicht hierarchisch und geschlossen sind. Teams arbeiten prozessorientiert, um wach, offen und flexibel auf Entwicklungen reagieren zu können. Im Digitalen hat jede*r Einzelne mehr Gewicht als in der analogen Gesellschaft. In neuen Methoden wie dem »Holokratischen Arbeiten« liegt die Chance, die Entfaltung der einzelnen Person nicht durch starre Strukturen zu behindern.
»Die meisten Kultureinrichtungen haben das Potenzial von Community Building und Audience Development bereits erkannt. Begreift man analoges und digitales Community Building und Audience Development als gesamtstrategische Aufgaben, ergeben sich vielfältige Ziele: Wie kann (digitales) Community Building und Audience Development dazu beitragen, diverse Publika und Communities zu erreichen? Und wie können Einrichtungen mit Hilfe digitaler Technologien inklusiver werden?«
Im Community Building liegen große Potenziale, ein größeres und ein anderes, diverseres Publikum als bisher zu erreichen. Dabei können Algorithmen helfen. Es geht nicht darum, ein bisschen anders als bisher Werbung zu machen: Die Kulturinstitutionen könnten im digitalen Raum noch viel stärker präsent sein, sich als Wissensressource begreifen, und darüber auf zeitgemäße Weise am gesellschaftlichen Diskurs beteiligt sein. Damit rücken sie stärker an die digitale Medienrealität heran, siehe Punkt 1.
Museen und Theater werden immer lokal verankert sein, entscheidend ist die Begegnung mit der Kunst am konkreten Ort. Das mediale und gesellschaftliche Umfeld ändert sich aber so stark, dass die Wege dorthin andere sein werden. Das Wie und das Warum sind hier also sehr eng miteinander verknüpft.
Hi, mein Name ist Ralf, mich triffst du normalerweise in Museen, in Buchläden oder bei Konzerten. Ich bin Mitgründer von kultur{}botschaft, Berater und Kulturjournalist.
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