von Anaïs Jung
Viele Kulturhäuser versuchen sich an eigenen Podcasts, wirklich erfolgreich sind nur wenige. Das Städel Museum, die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe und das Berliner Ensemble berichten über ihre Erfahrungen in der Podcast-Produktion. In den Gesprächen zeigt sich: Ein Pauschalrezept gibt es nicht – aber planvolles Vorgehen lohnt sich.
In den vergangenen Jahren haben viele Kulturinstitutionen mit Podcasts experimentiert. Der erste Boom kam während der Pandemie, als die Häuser schnell ihr digitales Angebot erweitern wollten. Was vielversprechend begann, endete ernüchternd: Viele Podcast-Leichen liegen in den Archiven. Manchen ist bereits nach wenigen Folgen der Atem ausgegangen, andere machen eisern weiter, obwohl sie nur wenige Zuhörer:innen anziehen.
Zum Glück gibt es positive Beispiele: Gut durchdachte Produktionen, die fürs Publikum attraktiv sind. Wenn er gut gemacht ist, kann ein Podcast Menschen ganz neu und anders an ein Haus binden. Im Idealfall vermittelt er nicht nur Inhalte an die üblichen Besucher:innen, sondern spricht Hörer:innen außerhalb des Stammpublikums an.
"Wir wollten keine Nabelschau des eigenen Betriebs"
Wer einen Podcast macht, sollte zunächst ein eigenes Format entwickeln. Das Standardvorgehen der Häuser ist in dieser Hinsicht leider oft ziemlich ambitionslos. Oft greift man auf Standard-Ideen zurück: Museumskurator:innen sprechen über die Sammlung oder Theaterintendant:innen unterhalten sich mit Schauspieler:innen über ein Stück. "Genau das wollten vermeiden", sagt Ingo Sawilla, Leiter für Kommunikation und Audience Development am Berliner Ensemble. "Wir wollten keine Nabelschau des eigenen Betriebs."
Die Formatentwicklung haben die Berliner ernstgenommen, als sie ihren Podcast Wie war’s? entwickelten. Die erste Staffel des Podcast läuft seit Ende Januar, wöchentlich erscheint eine neue Folge. Die Kulturjournalistin Marion Brasch geht jeweils mit einer wechselnden prominenten Begleitung ins Theater; im Anschluss unterhalten sich die beiden mit jemandem aus dem Team der Inszenierung über die Vorstellung. Was mit einer Beschreibung der Eindrücke beginnt, entwickelt sich oft zu einem interessanten Gespräch über gesellschaftlich relevante Themen.
"Mensch, da könnte ich auch mal wieder hingehen" ist genau der Effekt, den wir erzielen wollten
"Für die Formatentwicklung haben wir uns Zeit genommen, verschiedene Ideen diskutiert und ausprobiert, und auch mal eine Pilotfolge produziert", sagt Ingo Sawilla. "Wir haben uns gefragt: Wie können wir am besten über Theater reden, so dass die Leute sagen: Mensch, da könnte ich auch mal wieder hingehen." Die Antwort: Das schönste Gespräch über Theater findet bei einem Bier danach statt, wenn die Eindrücke noch frisch sind. Wer den Podcast hört, kann die Stimmung des Theaterbesuchs spüren. Das Hintergrundrauschen aus der Theaterkantine trägt dazu bei.
"Viel ausprobieren", empfiehlt Daniela Sistermanns, Leiterin der Kommunikationsabteilung an der Kunsthalle Karlsruhe. Es könne sich auch lohnen, Expert:innen in die Formatentwicklung einzubeziehen. Die wissen was gut ankommt, und können einen Überblick darüber geben, was andere Häuser machen.
Es gibt kein Angebot für alle
Das Karlsruher Museum hat zunächst einen Workshop mit einem Podcast-Experten gemacht und gemeinsam Ideen entwickelt. Daraus sind gleich zwei Angebote entstanden: Kunstcouch und Kunstsnack. Ersteres ist ein längeres Format, ein Gespräch zwischen dem Psychotherapeuten Umut Özdemir und der Autorin Jaqueline Scheiber. Ausgehend von Kunstwerken sprechen sie über Themen, die uns im Alltag bewegen: über Liebe, übers Älterwerden oder den Umgang mit Verlusten. Leichter bekömmlich ist das zweite Format "Kunstsnack": Der Kunsthistoriker und Comedian Jakob Schwerdtfeger präsentiert hier Anekdoten und Hintergründe zur Kunst, in einfachen Worten und mit viel Humor.
"Das Problem ist, dass Angebote wie Ausstellungen oder Podcasts oft mit dem Anspruch konzipiert werden, alle abzuholen", erklärt Daniela Sistermanns. Ein Angebot für alle gebe es jedoch nicht. Ein Podcast sollte für bestimmte Zielgruppen oder Bedürfnisse konzipiert werden. Um breite Wirkung zu erzielen, hat die Kunsthalle Karlsruhe daher auf die zwei gegensätzliche Formate gesetzt.
"Das Produkt sollte zur DNA des Hauses passen"
Franziska von Plocki vom Städel Museum in Frankfurt am Main erzählt, sie haben sich in der Entwicklung der Podcasts Finding Van Gogh und Blinded by Rembrandt nicht an anderen deutschen Kunstpodcasts orientiert. "Natürlich haben wir Vorbilder, aber oft kommen diese aus ganz anderen Bereichen oder aus dem Ausland", sagt die stellvertretende Leiterin für Presse und Onlinekommunikation. Als Vorbild für das Storytelling dienten Podcasts aus dem amerikanischen und skandinavischen Raum. "Wir haben versucht ein Produkt zu entwickeln, der zu unserem Haus, zu unserer Sammlung und unseren Themen passt."
Der Podcast "Finding Van Gogh" erschien 2019 begleitend zu "Making Van Gogh", der bisher größten Ausstellung in der Geschichte des Museums. Die Podcast-Serie geht der Geschichte des legendären Gemäldes "Bildnis des Dr. Gachet" nach – es gilt seit über drei Jahrzehnten als verschollen. Die Ausstellung war der Anlass, um etwas auszuprobieren und sich mit einem neuen Produkt zu positionieren. Mit Erfolg – eine so aufwändige Produktion hatte noch kein anderes deutsches Museum auf die Beine gestellt. 2021 folgte "Blinded by Rembrandt", ebenfalls eine große Produktion, die sich an der Erzählweise der großen erzählerischen Podcasts orientiert.
Am Städel werden für die Entwicklung digitaler Produkte zunächst die unterschiedlichen Kompetenzen des Hauses gebündelt. Einzelne Vertreter:innen unterschiedlicher Abteilungen kommen in einer Arbeitsgruppe zusammen: "Bei großen Produktionen sind dann auch wissenschaftliche Abteilungen involviert, ansonsten laufen die Produktionen über die Teams der Kommunikation und Vermittlung. Je nach Bedarf kommt temporär noch jemand anderes ins Projekt, zum Beispiel aus der Restaurierung."
Jenseits solcher Großproduktionen hat das Städel noch ein monatliches Musikformat im Angebot. Im Städel Mixtape wird jeweils ein Kunstwerk betrachtet. Ausgehend davon verwebt die Moderatorin Liz Remter Musikstücke und Erzählstränge, so dass ein kunstgeschichlich hinterlegtes Mixtape entsteht, in Zusammenarbeit mit dem Radiosender Byte FM.
Die Konkurrenz auf dem Podcastmarkt ist groß, eine professionelle Produktion ist entscheidend
Alle drei Häuser machen vieles richtig: Sie haben kreative Formate mit einem klaren Profil, umgesetzt als hörenswerte Produktionen. Das Feedback der Hörer:innen, so wird mir berichtet, sei dementsprechend gut. Doch wer sind sie eigentlich diese Hörer:innen?
"Unser reguläres Publikum erreichen wir gut, wir haben eine treue Community auf Social Media und einen großen E-Mail-Verteiler", erklärt Ingo Sawilla vom Berliner Ensemble. Doch wie sieht es mit denen aus, die nicht bereits zu den üblichen Besucher:innen gehören? Franziska von Plocki vom Städel: "Wir wollen mit unseren digitalen Produkten immer auch Personen erreichen, die über unsere bisherigen Kanäle vielleicht noch nicht erreicht werden".
Wer auf "Publish and Pray" setzt, sollte nicht viel erwarten
Damit ein Podcast tatsächlich bei den Hörer:innen ankommt, die erreicht werden sollen, kommt es auf die richtige Distributionsstrategie an. Wer auf "Publish and Pray" setzt und die Distribution nicht mitdenkt, sollte nicht zu viel erwarten.
Um die Reichweite ihrer Podcasts zu vergrößern, arbeitet die Kunsthalle Karlsruhe gezielt mit unterschiedlichen Multiplikator:innen. Ein Beispiel sind TikToker:innen, die in kurzen Videosequenzen auf den Podcast aufmerksam machen. Außerdem wird Werbung in anderen Podcasts platziert, etwa in sehr erfolgreichen Formaten wie "Hotel Matze" oder "Piratensender Powerplay". "An den Zahlen haben wir gemerkt, dass diese Maßnahmen sehr zuträglich waren", sagt Daniela Sistermanns.
Auch das Städel Museum konnte durch die Nennung in anderen Podcasts positive Ausschläge der Hörer:innenzahlen feststellen, berichtet Franziska von Plocki. So geschehen, als Oli Schulz im Podcast "Fest & Flauschig" auf "Blinded by Rembrandt" verwies.
»Man sollte genauso viel Liebe in die Distribution stecken wie in die Produktion «
Worauf es bei der Distributionsstrategie ankommt, darüber haben wir mit Podcast-Distributionsexperte David Streit gesprochen. Er empfiehlt: "Man sollte genauso viel Liebe in die Distribution stecken wie in die Produktion." Es geht nicht darum, alle Kanäle zu bespielen, sondern "auf die Zielsetzung zu blicken und für diesen Zweck alleine die Distribution auszurichten". Die Häuser sollten sich also immer zuerst fragen: Was wollen wir mit dem Podcast erreichen?
Ist das Ziel „Wir möchten neue Hörer:innen ansprechen“, so muss die Distribution dementsprechend gestaltet werden. Eine Möglichkeit besteht darin, mit Kooperationspartner:innen zusammenzuarbeiten, die den Podcast einer bestimmten Zielgruppe nahebringen. Ob durch Influencermarketing oder Werbung in anderen Podcasts, es geht darum, die Inhalte außerhalb der bestehenden Community zu streuen. Werden solche Maßnahmen eingesetzt, kann ein Haus Personen erreichen, die bisher nicht zu den Besuchenden gehören. Podcasts sind somit nicht nur für die Kulturvermittlung sinnvoll, sondern lassen sich auch als digitales Outreach-Instrument einsetzen.
Zuletzt gibt es noch eine Sache, die sich in den Gesprächen zeigt und die drei Kultureinrichtungen vereint: Podcast ist ein Herzensthema, über das gerne und viel gesprochen wird. Nicht etwas, das nebenbei entsteht. Wenn gut gemacht, kann sich der Aufwand lohnen.
Olá! Mein Name ist Anaïs, ich interessiere mich für alles rund um die Kunst, besonders für die Schnittmenge mit dem Digitalen.
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