Wer jemals eine Ikea-Küche zusammenbaute, hat eine Vorstellung von Kompliziertheit. Selbst bei einem System, das sehr durchdacht ist, und das auf maximale Verständlichkeit für Kunden hin entwickelt wurde, steht man zwischendurch immer wieder mit lauter Fragezeichen vor der Anleitung: Ist der Boden hier falsch herum angebracht? Wieso habe ich eine Schraube über? Im Fall von Ikea fällt die Möglichkeit aus, dass der Fehler im System liegt: Ikea hat immer alles richtig gemacht, ist unfehlbar wie zuletzt der Papst, und es ist an Dir, die raffinierte, komplizierte Konstruktion der Küche bauend und fluchend zu begreifen.
Komplizierte Systeme sind letztlich durchschaubar, komplexe Systeme sind es nicht. Sobald verschiedene Faktoren auf nicht berechenbare Weise zusammenwirken, bewegen wir uns jenseits von Aufbauanleitungen. Das Klima ist ein komplexes System, die Weltwirtschaft auch. Auch die Digitalisierung hat die Einfachheit bloßer Automatisierung weit hinter sich gelassen: Die drei Eigenschaften von komplexen Systemen – sie sind vernetzt, dynamisch und intransparent – beschreiben geradezu den Kern von Digitalität. Schon eine Suchmaschine fürs Internet beruht auf unüberschaubar vielen Strukturen und Dynamiken, die sich gegenseitig beeinflussen.
Die alte industrielle Welt beruhte auf der Idee berechenbarer, reproduzierbarer Prozesse. Eine Ikea-Anleitung ist ein Triumph des menschlichen Geistes über das Chaos. In der digitalisierten Welt verstehen wir immer nur einen Teil dessen, was geschieht. Selbst die alte Vorstellung, als Führungskraft in dieser Situation »Risiken einzugehen«, ist noch dem alten Denken verhaftet – denn Risiken kann man berechnen. Mit dem Aufstieg generativer KI ist das Feld noch belebter geworden, wir experimentieren mit den ungeheuren neuen Möglichkeiten, doch niemand kann sagen, er könne mit KI umgehen, planen oder er habe sie im Griff.
Kultur- und Medienorganisationen, die sich in einer digitalisierten Umgebung behaupten wollen, müssen sich von der Idee, es gebe Regeln und Konventionen, denen man nur folgen müsse, vorläufig verabschieden. Alte Gewissheiten werden gerade im Stundentakt gelöscht, in Politik, Gesellschaft und Kultur. Die Zeit der sorgfältig berechneten Risiken sind vorbei, im Moment bleibt für Führungskräfte nur das Wagnis: Dinge einfach auszuprobieren, ohne irgendeine Garantie, dass sie zu etwas führen. Arbeitsmethoden wie Holokratie und Agiles Arbeiten ersetzen die Weitsicht einer visionären Führungsfigur durch eine verlässliche, aber flexible Struktur, mit der man wach bleibt und auf Neues reagieren kann.
News und Hypersnacks
🗞️ Die Auswirkungen des Nahostkonflikt auf den Kultursektor sind in Deutschland stärker spürbar als anderswo in Europa. Seit fünf Monaten werden Ausstellungen, Veranstaltungen und Preisverleihungen verschoben oder abgesagt. Dieser Bericht aus dem Guardian schildert die Ereignisse der aktuellen Diskurskrise in der Kultur.
🤳 Ein Kunststudent sorgt auf Instagram für Irritation: Paulus Goerden filmt zufällige Ansammlungen von Objekten in den Straßen von Düsseldorf und erklärt sie als Alltagsinstallationen. Im Artikel "Meint er das wirklich ernst?" im Kunstmagazin Crisp wird das Instagram-Phänomen analysiert. Die Videos können zum Nachdenken darüber anregen, was Kunst für uns bedeutet, insbesondere abseits von den tradierten Räumen.
💥 Wer das Gefühl hat in einer chaotischen Welt zu leben, sollte sich das YouTube-Video dieser Kreuzung in Addis Abeba ansehen. Wer erst einmal durchatmet und dann das Chaos akzeptiert, steht besser da als derjenige, der versucht, sich dagegen zu wehren.
Das Digitalupdate ist ein monatlicher Newsletter für Medien- und Kulturmanagement Profis, die effizient Entwicklungen in der Digitalisierung verfolgen wollen.
Jeden Monat: Themen, Tipps und Tools in deinem Postfach
Kulturbotschaft
Berlin
Jeden Monat: Themen, Tipps und Tools in deinem Postfach
Kulturbotschaft
Berlin